Leseproben
Erica und Ben
Jemand ruft leise ihren Namen. Erica zuckt zusammen und dreht sich erschrocken um. Da steht Ben, mit diesem Lächeln, das sie sofort erkennt, und den wilden Haaren. Er ist es wirklich, denkt sie.
Wortlos nicken sie sich zu. Dann nimmt er ihre Hand und gemeinsam laufen sie durch das Halbdunkel, vorbei an den verrosteten, muffig riechenden Containern, hinauf zum Stadtplatz. Je näher sie dem Getümmel kommen, desto fester halten sie sich. Es schmerzt fast. Doch sie lassen nicht los, das haben sie sich geschworen. Als sie um die Ecke biegen, sitzen die Wölfe wie immer am Brunnen, ihre alten Freunde, die sich selbst so nannten. In den nächsten Minuten, das wissen beide, wird sich alles verändern.
Jede freie Minute hatte Erica mit den Wölfen verbracht. Ihre halbe Jugend widmeten sie der Musik, Seite an Seite mit Jonas, Kalli, Benja, Samu und den anderen Chaoten. Mit ihrer ersten Band spielten sie bei Brandys No. 1, oft bis tief in die Nacht. Man sagt, Musik verbindet. Doch als sich Erica in Ben verliebte, halfen plötzlich keine Töne mehr.
Im Spätsommer 2017 wartet er zum ersten Mal draußen vor dem Brandys auf sie. Als Erica ihn sieht, greift sie nach seiner Hand, als wolle sie ihn mit hineinziehen. Doch Ben bleibt stehen. „Ich komm besser nicht rein, obwohl ich dich gern singen hören würde“, sagt er. Sie nickt kurz und verschwindet im Lärm des Clubs. Schnell späht Ben durchs Fenster, um einen Blick auf die Bühne zu erhaschen. Erica wirkt so glücklich, denkt er noch, bevor ihn von hinten jemand am Kragen packt. Jonas, der Schlagzeuger, schleudert ihn herum und faucht: „Hau ab und lass dich nicht mehr blicken! Wir wollen dich hier nicht.“ Er wartet keine Antwort ab, spuckt auf den Boden und geht zurück ins Brandys.
„Ich weiß“, stößt Ben hervor. „Aber um euch geht es nicht.“
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